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3.2 Charaktertypen und Typologien

Als Charaktertypen werden die Grundeigenschaften einer Persönlichkeit bezeichnet, die in unterschiedlichen Graden ausgeprägt sein können. Die ersten Analysen dieser Charaktertypen fanden bereits in der Antike statt. Führender Vorreiter war Empedokles, der die so genannte „Vier-Elemente-Lehre“ entwickelt hat. Sie ist nach Weiterentwicklungen durch Wilhelm Wundt und Immanuel Kant teilweise auch heute noch eine gängige Praxis und unterscheidet in vier verschiedene Grundtypen bei den Charakteren.

Der Melancholiker wird als Mensch beschrieben, der zu Traurigkeit neigt. Auch kann er seinen Mitmenschen kein Grundvertrauen entgegen bringen, sondern zweifelt ständig alles an. Anderseits gilt der Melancholiker als ein sehr verlässlicher Mensch, der eine ordentliche Portion an Selbstbeherrschung mitbringt. Eysenck ordnet dem Melancholiker zusätzlich noch eine emotionale Instabilität zu. Andere Forscher wie Hildegard von Bingen gehen sogar so weit, dem Charaktertypus des Melancholikers optische Merkmale zuzuordnen. Sie beschreibt Frauen dieser Gruppe als „mager, mit mäßigem Knochenbau und dicken Adern“.

Der Choleriker gilt als Mensch mit einer niedrigen Erregungsschwelle. Er wird als jähzornig und unausgeglichen beschrieben. Umgekehrt sind Choleriker aber auch sehr willensstarke Menschen, die entschlossen ihre Ziele verfolgen und kaum Furcht vor irgendetwas haben. Die Bezeichnung Choleriker ist vom altgriechischen Wort „xolae“ abgeleitet. Das bedeutet so viel wie „Galle“ und zeigt schon an, dass diesen Vertretern schnell einmal „die Galle überläuft“, wie Wutanfälle im Volksmund auch salopp beschrieben werden.

Der Sanguiniker ist von heiterem Gemüt. Er ist lebhaft und macht oftmals Dinge, die seiner Umgebung als Leichtsinn erscheinen werden. Der Sanguiniker kennt kaum Skrupel, ist unstet in seinem Denken und Handeln und gehört zu den extrovertierten Charakteren. Sein Leben kennzeichnet sich je nach Ausprägung durch gelegentliche oder häufige Exzesse. Auf der anderen Seite ist der Sanguiniker ein unterhaltsamer und phantasievoller Mensch. Bei ihm ist das Glas immer halb voll und nicht halb leer.

Der vierte Grundtyp der Charaktere ist der Phlegmatiker. Er ist ruhig bis schwerfällig und tut alles mit Bedacht. Er ist introvertiert und könnte auch gut als Eremit leben. Ihm wird Trägheit unterstellt. Aber er hat auch positive Eigenschaften. Ein Phlegmatiker wird als grundsätzlich friedliebend bezeichnet. Aber auch Sinn für Ordnung und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und diplomatische Fähigkeiten werden ihm zugeschrieben.

Natürlich kommen diese vier Charaktertypen nur sehr selten in ihrer Reinform vor. Die meisten Menschen tragen Elemente aller Typen in sich, die jedoch unterschiedlich ausgeprägt sind. Das hat beispielsweise Theoprastos, einen griechischen Gelehrten des dritten Jahrtausends vor Beginn der Christlichen Zeitrechnung, dazu gebracht, gleich dreißig verschiedene Charaktertypen zu beschreiben.

In der frühen chinesischen Psychologie wurde eine „Fünf-Elemente-Lehre“ der Charaktertypen entwickelt. Dazu gehören Erde, Wasser, Feuer sowie Metall und Holz. Auch daraus ergeben sich vier grundlegende Typisierungen der Charaktere. Sie werden als narzisstisch, depressiv, schizoid und hysterisch bezeichnet.

In der modernen Psychologie werden fünf Charaktertypen verwendet, die sich durch die Unterschiede bei den vorherrschenden Abwehrmechanismen sowie dem Erleben und Verhalten voneinander differenzieren. Sie umfassen folgende Typen:

  • narzisstischer Charakter

Er wird gleich gesetzt mit Eigenschaften wie ein übergroßes Selbstwertgefühl und eine permanente Entwertung Dritter. Als Abwehrmechanismen werden hier vorwiegend Verleugnung, Idealisierung und eine projektive Identifikation gefunden.

  • schizoider Charakter

Ihm werden ein großes Bedürfnis nach Distanz sowie die Angst vor Nähe zugeschrieben. Ein schizoider Charakter wehrt sich durch die Intellektualisierung und Rationalisierung sowie einer Isolierung einzelner Affekte.

  • depressiver Charakter

Er hat Minderwertigkeitsgefühle, ist meistens passiv und sehr stark von anderen Menschen abhängig. Seine kennzeichnenden Abwehrmechanismen sind die Introjektion sowie Autoaggressivität.

  • zwanghafter Charakter

Ein zwanghafter Charakter kennzeichnet sich durch eine ausgeprägte Sparsamkeit und Genauigkeit sowie Eigensinn und einem übersteigerten Kontrollbedürfnis. Auch bei ihm stehen bei den Abwehrmechanismen die Affektisolierung und die Rationalisierung im Mittelpunkt.

  • hysterischer Charakter

Dieser Typus bringt ein starkes Geltungsbedürfnis, Angst vor Erotik und andererseits ein sexualisiertes Verhalten mit. Seine typischen Abwehrmechanismen sind die Verleugnung, die Konversion sowie die Verdrängung.

Ach dazu muss man wissen, dass es diese Charaktertypen kaum in ihrer Reinform gibt. Ein Mensch wird also immer mehreren Charaktertypen zugeordnet, wobei sein Charakter nach den überwiegenden Eigenschaften bestimmt wird.

Inzwischen haben sich noch weitere Modelle der Charaktertypen entwickeln. Sigmund Freud zeichnet für das Phasenmodell verantwortlich, dass sich auch mit den beschriebenen fünf modernen Typisierungen in Übereinklang bringen lässt. Dieses Phasenmodell ist von Erich Fromm weiterentwickelt worden. Er stellt bei der Typisierung der Charaktere darauf ab, welchen Bezug ein Mensch zu seinen Mitmenschen und den ihn umgebenden Dingen herstellt. Aus seiner Feder stammen Bezeichnungen wie „autoritärer“ und „sadomasochistischer“ Charakter. Auch der Begriff „Marketing-Charakter“ wurde von Erich Fromm geprägt.

Aus den genannten Modellen der Typisierung von Charakteren lässt sich sehr leicht ablesen, dass hier auch kulturelle Unterschiede eine entscheidende Rolle spielen. Dabei wird auch beachtet, dass es Differenzen gibt, welche Eigenschaften in bestimmten Kulturkreisen und Religionen als erstrebenswert gelten. Ihnen wird folglich auch die meiste Bedeutung bei der Bewertung eines Charakters zugemessen. Und man kann aus der vorliegenden Darstellung entnehmen, dass die Differenzierung in Charaktertypen ständig weiterentwickelt wird.