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2.6 Lernen einfachen Verhaltens und komplexer Fähigkeiten

In der Psychologie wird das Lernen als Prozess der Verhaltensänderung bezeichnet. Am deutlichsten wird das beim Kleinkind. Je mehr Fähigkeiten es erlernt, desto unabhängiger wird es von den Eltern. Lernen bedeutet aber auch, sich Veränderungen in der Umwelt bewusst anpassen zu können und so das Überleben der eigenen Art zu sichern. Einige Dinge müssen nicht erlernt werden, sondern sie werden über die genetischen Anlagen weitergegeben. Ein gutes Beispiel ist der Saugreflex, der beim Nachwuchs aller Säugetiere schon bei der Geburt vorhanden ist.

Die einfachste Form des Lernens ist die Konditionierung. Dabei werden einfache Fähigkeiten erlernt, bei denen Reaktionen durch das Wahrnehmen von Eindrücken ausgelöst werden. Einer der führenden Köpfe dieser Theorie ist Iwan Petrowitsch Pawlow, der seine Theorien aus dem Verhalten von Hunden ableitete. Auch der Fluchttrieb bei Gefahr ist eine einfache Form der Konditionierung, die nicht nur beim Menschen, sondern bei allen höheren Lebensformen zu beobachten ist. Beim Lernen durch Konditionierung werden die drei Lerneffekte Extinktion, Reiz-Generalisierung und Reiz-Diskriminierung unterschieden.

Eine zentrale Rolle beim Lernen in all seinen Formen spielt das Gedächtnis. Bei der Konditionierung beispielsweise werden mit bestimmten visuellen, audiellen und sensorischen Wahrnehmungen verbundene Gefühle unbewusst aus dem Gedächtnis abgerufen. Damit ist eine blitzschnelle Bewertung der Lage möglich. Das heißt im Klartext, dass Erinnerungen mit der real vorhandenen Situation verknüpft werden. Je öfter es dort zu den gleichen Abläufen kommt, desto sicherer werden auch die Reaktionen. Inzwischen konnte von den Wissenschaftlern der Neuropsychiatrie sogar nachgewiesen werden, dass es dabei zu organischen Manifestationen im Gehirn kommt.

In der Psychologie spielen beim Lernen vor allem diese kognitiven Verknüpfungen eine entscheidende Rolle. Sie können bei einer Therapie gezielt beeinflusst werden. Dafür stehen verschiedene Wege zur Verfügung. Ein Beispiel ist die Konditionierung bei der Therapie von Ängsten. Eine Variante ist die Konfrontationstherapie, bei dem im Kontakt mit den die Angst auslösenden Situationen über die Logik bestimmte Wahrnehmungen erklärt werden. So wird dem Patienten genau erklärt, wie die fehlenden Fixpunkte auf einem Schiff die Augen und damit das Hirn irritieren und die Schwankungen des Bodens durch die Dünung den Gleichgewichtssinn durcheinander bringen. Die gleichen Phänomene treten auch auf in großer Höhe auf und setzen eine Kaskade an körperlichen Reaktionen in Gang.

Die zweite Variante der kognitiven Verknüpfung in der Psychologie ist das Lernen durch Wiederholung. Dabei soll der Patient die Erfahrung machen, dass die von ihm befürchteten Gefahren nicht auftreten. Je öfter das wiederholt wird, desto fester verbinden sich die in dem Moment aktiven Synapsen im Hirn. Sie werden auf eine bestimmte Reaktion trainiert. Anfänglich steht der Patient bildhaft ausgedrückt vor einer Weggabelung, bei der er sich bewusst entscheiden muss, wie er reagiert. Sind die neuen Verbindungen zwischen den Synapsen stark genug, läuft diese Entscheidung, auf welchen „Schubkasten der Erinnerung“ bei den Reaktionen zugegriffen wird, unbewusst ab. Eine ähnliche Vorgehensweise findet sich auch bei allen anderen Verhaltenstherapien, wobei unterstützend auch mittels Hypnose einige unerwünschte Reaktionen unterdrückt werden können.

Das Lernen in der Psychologie unterscheidet sich von einigen Formen des Lernens, wie sie in der Pädagogik benutzt werden. Hier wird beispielsweise das bloße Auswendiglernen angewendet, das in der Psychologie nicht zu den gewünschten Effekten, nämlich einer Veränderung des Verhaltens, führen würde. In der Pädagogik ist es dennoch notwendig, wie ein Blick auf mathematische oder physikalische Formeln beweist.

Das Lernen durch Vorbilder dagegen spielt sowohl in der Pädagogik als auch in der Psychologie eine wichtige Rolle. Das Beziehungsverhalten wird maßgeblich durch das unbewusste Lernen von Vorbildern erlernt. Das, was die Eltern und Großeltern vorleben, wird als „normal“ empfunden und übernommen. Spätere Negativerfahrungen können allerdings dazu führen, dass das Beziehungsverhalten bewusst in Frage gestellt und gezielt verändert wird. Ein Beweis für diese Form des Lernens stellt die Tatsache dar, dass Kinder aus emotional instabilen Elternhäusern später selbst ein ambivalentes Beziehungsverhalten entwickeln.