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2.1 Wahrnehmung

Ein zentraler Aspekt der Psychologie befasst sich mit dem Thema Wahrnehmung und allen Störungen, die in diesem Kontext auftreten können. Dabei wird von der Wahrnehmung als Gewinn und Verarbeitung äußerer und innerer Reize gesprochen, weshalb auch in die äußere und innere Wahrnehmung unterschieden wird. Die äußere Wahrnehmung nimmt dabei den Part der Umweltinformationsverarbeitung wahr, wie man sie durch externe Reizlieferanten wie Mitmenschen oder Geschehnisse erfährt. Die innere Wahrnehmung hingegen umfasst die Gesamtheit der intern ablaufenden Registrierungen wie beispielsweise Gefühle.

Prinzipiell bezeichnet Wahrnehmung also die Veranschaulichung von Umwelt- und Körperereignissen, während im psychologischen Kontext die Wahrnehmung die Gesamtheit der Informationsverarbeitung, von der Aufnahme über die Auswahl und Interpretation bis hin zur Organisation, umfasst. Sie wird somit zur zentralen Organisationseinheit der Kommunikation. Hierfür werden im Zuge der Wahrnehmung die Informationen aufgenommen, verarbeitet, gespeichert, in einen Vergleich zu vorhandenem Wissen gestellt und letztendlich im Zuge der Reaktion eingesetzt.

Arten von Wahrnehmung

Die Psychologie unterscheidet verschiedene Arten der Wahrnehmung, die ihren Ursprung in den verschiedenen menschlichen Sinnen haben:

  • Visuelle Wahrnehmung
  • Auditive Wahrnehmung
  • Gustatorische Wahrnehmung
  • Taktile Wahrnehmung
  • Kinästhetische Wahrnehmung
  • Vestibuläre Wahrnehmung
  • Trigenimale Wahrnehmung

Visuelle Wahrnehmung
Die visuelle Wahrnehmung bezeichnet die Reizaufnahme, die durch das Auge, also das Sehen, erfolgt. Visuelle Reize wie Gestalt, Größe, Farben, Helligkeit, Kontrast, Formen und auch Räumlichkeiten können so wahrgenommen werden.

Auditive Wahrnehmung
Die auditive oder auch akustische Wahrnehmung bedient sich des Hörsinns, um eine Informationsaufnahme zu induzieren. Dabei stehen Geräusche, Töne, Wörter, Laute, Klänge und Rhythmen im Vordergrund. Aber auch die Entfernung fließt in den Aspekt der auditiven Wahrnehmung ein.

Gustatorische Wahrnehmung
Der Geschmackssinn stellt ein zentrales Wahrnehmungsmedium vieler Lebewesen dar. Diese Wahrnehmungsform findet in der gustatorischen Wahrnehmung ihre Definition. Dabei erfolgt die Reizverarbeitung über die Zunge mit ihren Geschmacksknospen, was eine geschmackliche Differenzierung in die Nuancen süß, sauer, bitter, salzig und herzhaft zulässt.

Olfaktorische Wahrnehmung
„Jemanden nicht riechen können“ – dieses Sprichwort ist der olfaktorischen Wahrnehmung zuzuordnen, deren zentrales Sinnesorgan die Nase mit ihren Riechschleimhäuten ist. Durch sie werden Duftreize verarbeitet.

Taktile Wahrnehmung
Das größte Sinnesorgan des Menschen ist die Haut und entsprechend spielt diese auch im Wahrnehmungskontext eine bedeutende Rolle. Die Realisierung von Berührung, Härtegrad, Temperatur sowie Druck ist diesem Wahrnehmungsmedium zu verdanken.

Kinästhetische Wahrnehmung
In die kinästhetische Wahrnehmung fließen eine Vielzahl an Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken ein. Sie soll für die Informationsverarbeitung mittels Körperhaltung und Bewegungsabläufen verantwortlich sein.

Vestibuläre Wahrnehmung
Ein oftmals unterschätzter Sinn hat seinen Ursprung im Ohr, ohne dabei jedoch der auditiven Komponente anzugehören: der Gleichgewichtssinn. Er ist im Kontext der Wahrnehmung für Lageänderungen und die Bewegungskoordination verantwortlich.

Trigeminale Wahrnehmung
Der Nervus trigeminus ist der Gesichtsnerv und in diesem Zusammenhang ein Kooperant der olfaktoren wie auch gustatorischen Wahrnehmung.

Der Wahrnehmungsprozess

Die Wahrnehmung ist ein subjektiver Prozess, der vom jeweiligen Individuum, seinen Erfahrungen und Einstellungen sowie äußeren Bedingungen wie vorherrschenden Werten und Normen geprägt wird. Nichtsdestotrotz folgt die Wahrnehmung einem Schema mit jedoch offenem Ergebnis.

  1. Die Reizübertragung
    Am Anfang der Wahrnehmung stehen ein Reiz und dessen Aufnahme über das jeweils verantwortliche Sinnesorgan. Mittels Nerven wird dieser Reiz an das Gehirn und hier speziell an die Großhirnrinde geleitet.
  2. Globalauswertung
    In der Großhirnrinde wird der aufgenommene Reiz einer Globalauswertung unterzogen. Dies bedeutet, dass noch keine Details realisiert werden, sondern ein Gesamteindruck entsteht. Die wahrnehmende Person erkennt also eine Stadt und nicht etwa ein einzelnes Haus.
  3. Detailauswertung
    In dieser Phase der Wahrnehmung werden nun auch Details realisiert, die der Globalauswertung verborgen geblieben sind. Dabei helfen Blicksprünge, die einen vertieften Eindruck entstehen lassen. Dies ist der Punkt, an dem nun auch einzelne Häuser wahrgenommen werden. Dabei spielen einprägsame Auffälligkeiten eine bedeutende Rolle.
  4. Elaboratorische Auswertung
    Mit der elaboratorischen Auswertung als letzte Phase der Wahrnehmung beginnt nun der eigentliche Prozess, der für eine anschließende Reaktion vonnöten ist. Der Wahrnehmende verarbeitet nun nämlich den aufgenommenen Reiz. Hierfür vergleicht er ihn mit Erinnerungen und Erfahrungen, kombiniert verschiedenen Zusammenhänge, urteilt und versteht. Hier werden nun auch Kategorisierungen vorgenommen und scheinbar unwichtige Passagen von wichtigen Details getrennt und dem Wahrnehmungsergebnis entzogen.

Wahrnehmungsgesetze

Was wird wahrgenommen und was nicht und aus welchen Gründen findet diese Kategorisierung statt? Diese Frage beschäftigt angesehene Wissenschaftler schon seit langem.

Das Ergebnis der entsprechenden Forschungen brachte zu Tage, dass verschiedene Wahrnehmungsgesetze dabei eine bedeutende Rolle spielen.

Reizabhängigkeit
Die Wahrnehmung wird unmittelbar dadurch beeinflusst, wie stark der entsprechende Reiz ist, ob er die individuelle Reizschwelle überschreitet und ob er ein Sinnesorgan direkt anspricht.

Kontextabhängigkeit
Außerdem unterliegt die Wahrnehmung immer einer Kontextabhängigkeit. Dies bedeutet, dass Dinge nicht nur alleinstehend wahrgenommen werden, sondern immer in einer Einheit mit ihrer Umgebung.

Erfahrungsabhängigkeit
Die Wahrnehmung erfolgt innerhalb des Gehirns durch einen Vergleich des Reizes mit bereits abgespeicherten Erfahrungen. So entstehen unterschiedliche Interpretationen.

Wahrnehmungsstörungen

Die Wahrnehmung ist gerade in Zusammenhang mit Wahrnehmungsstörungen ein zentraler psychologischer Aspekt.

Als Wahrnehmungsstörung bezeichnet man eine fehlerhafte Reizübertragung, deren Ursache in der Reizaufnahme, der Weiterleitung oder Verarbeitung liegen kann. Ursächlich hierfür können biologische wie auch soziale Faktoren sein. Das Ergebnis ist jedoch in den meisten Fällen das Fehlen adäquater Reaktionen, was landläufig als unangemessenes Verhalten deklariert wird.

Wahrnehmungsstörungen können verschiedene Reizverarbeitungshintergründe haben:

  • verminderte Aufnahmekapazität für Reize
  • Reizüberflutung mit unverhältnismäßig hoher Reizaufnahme
  • mangelhafte Reizkategorisierung nach Bedeutsamkeit
  • herabgesetzte Fähigkeit der Verarbeitung von Reizabläufen
  • fehlerhafte Lernprozesse bezüglich flüssiger Abläufe
  • auditive Wahrnehmungsstörung bezüglich der Geräuschfilterung
  • auditive Wahrnehmungsstörung bezüglich der Speicherung im Kurzzeitgedächtnis

Die meisten dieser Wahrnehmungsstörungen sind nicht nur allgemein durch das unangemessene Verhalten gekennzeichnet, sondern im Präzisen durch eine schlechte Konzentrationsfähigkeit, Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeit und Affektkontrolle sowie einer Form von Hyperaktivität begleitet.

Die Wahrnehmungsstörungen sind deutlich abzugrenzen von Wahrnehmungsveränderungen, wie sie beispielsweise durch Drogen, Unterschiede in den Lernprozessen, meditative Wahrnehmungsübungen, Sinnesorgan unterstützende Maßnahmen oder bei Ausfall eines Sinnesorgans und dadurch Stärkung der verbliebenen, zum Beispiel die Steigerung des Hörvermögens bei Blinden, induziert werden.